Während der Corona Zeit hat sich Sebastian Begert intensiv mit dem Thema Klavier auseinandergesetzt. Das Ergebnis seines «Projekts» wollen wir Ihnen nicht vorenthalten.
Vorgeschichte (Prélude)
Da ich seit meiner Kindheit Klavier spiele und mich das Gefühl beschlich, mein aktuelles Klavier genüge den Anforderungen nicht, habe ich versucht, mich im Internet schlau zu machen. Da die Erkenntnisse etwas umfangreicher wurden, gibt es ein kleines Verzeichnis mit direkten Links zu den Kapiteln:
- Klaviere und Kategorien
- Empfehlung für die Auswahl
- Evaluation von Klavieren
- Die 7 besten Klaviere
- Schlussbemerkungen
Recherche im Internet
Sucht man nach Klavier Vergleich, werden oft Resultate mit Digitalpianos geliefert, was mich nicht interessierte. Erweiterte Recherchen ergaben einen sehr interessanten Artikel der Zeit von 1994 (Bechstein, Blüthner, Bösendorfer, Steinway: Die Flügelbauer sind in der Krise. Der Markt ist grausam, und die Nuancen des Klangs sind kaum mehr als Gefühl) sowie eine vielsagende Qualifizierung der Klavier Hersteller auf Amazona.de (Marktübersicht der wichtigsten Klavierbauer).
Auf einer Online Plattform fand ich ein angebliches Schnäppchen in Form eines Bechstein Concert 8 aus den 80-er Jahren. Sehr wichtig ist, ein Klavier zu spielen. Häufig reicht ein Ton oder ein Akkord aus, um den Klang beurteilen zu können. Das Bechstein wurde vermutlich länger nicht gestimmt, hatte aber ein brauchbares Klangvolumen. Dennoch hatte ich ein ungutes Gefühl.
Recherche im Fachhandel
Aus diesem Grund entschied ich mich, mehrere Klaviere zu testen. Piano Heutschi in Bern hatte ebenfalls ein Bechstein Concert 8 aus den 80-er Jahren, allerdings frisch renoviert. Rémy Heutschi empfing mich (natürlich mit entsprechender Corona Distanz) und empfahl mir, möglichst viele Klaviere zu spielen, um ein Gefühl zu kriegen. An diesem Nachmittag brummte mir nach 2 Stunden und über 30 Klavieren der Schädel. Eine Erkenntnis war, das (renovierte) Bechstein Concert 8 klang viel besser, schaffte es aber nicht in die Top 5! Eine zweite Erkenntnis war, dass ein Top Occasionsklavier es durchaus mit neuen Klavieren aufnehmen kann. Die dritte Erkenntnis war zugleich die Wichtigste: Man darf Äpfel nicht mit Birnen vergleichen.
Klaviere und Kategorien (Introduktion)
Klaviere können in 3 Kategorien unterteilt werden:
- Schulklaviere für Anfänger
- Klaviere für Fortgeschrittene
- Klaviere für Profis
Entscheidend ist zudem die Bauhöhe der Klaviere, je höher, desto mehr Volumen ist möglich:
- Kleinklavier (zwischen 100 und 110 cm)
- Mittlere Klaviere (zwischen 110 und 129 cm)
- Konzert Klaviere (ab 130 cm)
Normalerweise ist es so, dass ein Schulklavier für Anfänger ein Kleinklavier ist. Für Fortgeschrittene eignet sich häufig ein mittleres Klavier. Es gibt auch Ausnahmen. Einige Top Hersteller bieten mittlere Klaviere mit einer Höhe von 124cm an, welche ausgezeichnet klingen und z.B. ein Bechstein Concert C8 (130 cm) aus den 80-er Jahren deutlich distanzieren. Dies gelang dem Bechstein Elegance 124 aus gleicher Familie.
Eine dritte Einteilung lässt sich über den (Neu-)Preis vornehmen:
- CHF 3'500 – 8'000
- CHF 8'000 – 20’000
- CHF 20''000 – 50’000
Eine weitere Einteilung lässt sich (mit Vorsicht) nach Marken vornehmen:
- Günstige Marken wie z.B. Zimmermann, Yamaha (Einsteiger Modellreihen) oder Kawai (Einsteiger Modellreihen)
- Mittlere Marken wie z.B. Schimmel, Sauter, Seiler, C. Bechstein Academy, Kawai oder Yamaha (gehobenere Modellreihen)
- Top Marken wie Steinway & Sons, Steingraeber & Söhne, Bösendorfer, C. Bechstein Concert
Steingraeber und Bösendorfer stellen nur teure und qualitativ hochstehende Instrumente in bescheidener Quantität her. Die meisten anderen Hersteller haben verschiedene Submarken. Hervorragende Quelle ist der Artikel auf Amazona.de.
Fazit:
Eine Kategorisierung ist schwer, es gibt verschiedene mögliche Arten zur Unterteilung der Klaviere.
Empfehlung für die Auswahl (Intermezzo)
Möchten Sie ein Klavier erwerben, ist es unabdingbar, verschiedene Klaviere zu testen. Ein Nachmittag reicht nicht aus, um sich zu entscheiden. Probieren Sie mehrere Marken, mehrere Piano Häuser, verschiedene Bauhöhen, etc. Nehmen Sie sich über mehrere Wochen Zeit für die Entscheidungsfindung.
Das Wichtigste:
Ist der Klang. An die Klaviatur gewöhnen Sie sich nach kurzer Zeit (schwerere oder leichtere Tasten).
Herangehensweise:
- Spielen Sie einen einzelnen Ton oder einen Akkord und lauschen Sie. Es kann sein, dass sie innert kurzer Zeit 15 aus 30 Pianos aussortiert haben. Ihr erster Eindruck täuscht Sie nicht!
- Lassen Sie sich nicht von Marken blenden oder unterschätzen Sie auch nicht die Grossserien Hersteller (wie z.B. Yamaha, Kawai)
- Suchen Sie das für Sie beste Klavier
- Legen Sie ein Budget fest.
Evaluation von Klavieren
Bei meiner Recherche ging ich beim Budget von maximal 15'000 Franken aus. In diesem Preis Segment habe ich ein (fabrikneues) Klavier gefunden, welches meine Anforderungen erfüllte: Ein Kawai K-600. Dazu gibt es einige Occasionsklaviere (z.B. Steinway & Sons 115-Z oder Grotrian-Steinweg) welche preislich mithalten können. Allerdings erfüllten Sie meine Anforderungen nicht, resp. Erreichten das Niveau des Kawai K-600 nicht. Als Occasionsklaviere sind meines Erachtens eher Modelle wie z.B. Steingräber & Söhne (124K) oder die grösseren Steinway & Sons 125-V zu empfehlen. Oberhalb des Budgets überzeugten mich das (116 cm kleine) Bechstein Millennium/K und das Bechstein Elegance 124. Herr Heutschi meinte beim Abschied, ein neues Bechstein Concert 8 wäre nochmals 5 – 10 Prozent besser.
Ich verliess Piano Heutschi in Bern mit neuen Ideen und mit dem Gedanken, das Budget nach oben anzupassen. Nach weiteren Recherchen im Internet stiess ich auf das Pianohaus Sigrist in Hinwil-Hadlikon, welches Sauter, Kawai und Steingraeber & Söhne vertreibt. Per Zufall war auch ein frisch revidiertes Bösendorfer Klavier an Lager.
Auch bei Piano Sigrist fühlt man sich sofort zu Hause. Sehr gute Beratung ohne Markenzwang und viel Fachsimpelei halfen in der Klavier Findung weiter. Ich spielte kurz ein Occasion Kleinklavier von Yamaha an und merkte gleich, dass dies dasselbe Niveau wie mein altes Klavier hatte. Nebendran war ein (neues) Sauter 122 – Meisterklasse sowie ein Occasion Bösendorfer 130 Klavier. Kurz das Sauter 122 angespielt, ein ganz anderes Niveau als das Yamaha (was auch zu erwarten war, man vergleicht nicht Äpfel mit Birnen). Anschliessend auf das Bösendorfer gewechselt und nochmals ein Niveausprung!
Leider war das neue Steingraeber 130T-SFM (Steingraeber-Ferro-Magnet Mechanik) einen Raum entfernt. Nach kurzer Zeit war klar, dass Steingraeber und Bösendorfer auf einem anderen Level sind als das Sauter 122 – Meisterklasse. Allerdings gilt dies auch für den Preis.
Auf Nachfrage des Junior Chefs Sigrist, wie der Vergleich läuft, meinte ich, es sei ne enge Kiste zwischen Steingraeber und Bösendorfer. Es sei schade, dass die beiden Klaviere nicht im gleichen Raum seien. Nach 5 Minuten waren sie im gleichen Raum… Ja, die beiden Hersteller sind absolute Klasse! Zwischen den Klavieren liegen Nuancen. Teilweise meint man, einen Unterschied zu hören, nach dem Wechsel auf das andere Klavier wird der Unterschied obsolet. Nach 2 Stunden war ich mir nicht sicher, welches Klavier das Bessere war. Hingegen war klar, dass die beiden Hersteller nochmals auf einem anderen Niveau sind. Somit verliess ich Piano Sigrist mit einer klaren Vorstellung, was ein sehr gutes Klavier ausmacht und liess wieder einige Tage verstreichen.
Wie immer kommt es anders, als man denkt. Plötzlich tauchte auf meiner gespeicherten Suchliste auf der Online Plattform ein Bechstein Concert 8 aus 2016 zu einem sehr interessanten Preis auf. Ein paar Tage später spielte ich das praktisch neue Concert 8 und war begeistert. Herr Heutschi hatte Recht, die neue Generation Concert 8 ist besser als das Elegance 124-er, für mich auf dem Level von Bösendorfer und Steingraeber. Auf dem Rückweg machte ich den Abstecher zu Piano Sigrist und spielte nochmals Steingraeber und Bösendorfer. Zum Schluss kam ich auf die Idee, die beiden Pianos zu hören, aber nicht zu sehen und zu versuchen, das richtige Piano zuzuweisen (was erfolgreich gelang).
Fazit:
Die Konzert Klaviere von Bechstein, Bösendorfer und Steingraeber & Söhne sind auf einem anderen Level.
Ob ein Steinway & Sons K-132 mit diesen Herstellern mithalten kann, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Steinway V-125, welches nicht in die Konzert Klaviere gehört, kommt nahe an das Level heran; Während der Recherche habe ich zwei verschiedene V-125 gespielt.
Die 7 besten Klaviere (Furioso)
Ich verzichte hier auf eine Auflistung von Features, diese sind bei den Herstellern ersichtlich. Ich beschränke mich auf persönliche Erfahrungen sowie auf meine subjektiven Eindrücke. Einige Marken habe ich nicht gespielt (z.B. Blüthner oder Pfeiffer), einige Submarken sind nicht vertreten, da sie nicht an die Hauptmarken herankommen (z.B. Bechstein Academy, W. Hoffmann). Andere Marken haben es nicht geschafft (z.B. Grotrian-Steinweg, Sauter, Schimmel, Yamaha).
Mittlere Klaviere (alphabetisch)
Bechstein Elegance 124
- Sehr guter und heller Klang
- Anschlag sehr gut
Bechstein Millennium 116K
- Sehr guter Klang
- Kleineres Klavier
- Anschlag gut
Kawai K-600
- Ausgezeichnetes Preis- / Leistungsverhältnis
- Schöner und voller Klang
- Bez. Grösse ein Konzert Klavier, ähnliches Klang Volumen
Steinway & Sons V-125 – Occ.
- Heller und klarer Klang
- Unklarer Anschlag, Pianissimo ist schwer zu spielen
- Dominante Hochtöne
Konzert Klaviere (alphabetisch)
Bechstein Concert 8 – Occ. 2016
- Sehr gutes Volumen
- Sehr ausgewogen
- Klarer Anschlag
- Deutlich besseres Instrument als Concert 8 aus den 80-er Jahren
Bösendorfer 130CL – Occ.
- Schöner und ausgewogener Klang
- Klarer Anschlag
- Schöne Basstöne
- Ideal für Jazz
Steingraeber & Söhne 130 T-SFM * / **
- Unglaublich ausgewogen
- Wärmerer Klang als Bösendorfer, aber etwas dumpfer
- Spielt sich (wegen SFM) wie ein Flügel
- Ideal für klassische Musik
* ist auch mit alternativem Spielwerk (PS Mechanik) erhältlich
** Steingraeber & Söhne 138 K wurde nicht getestet.
Schlussbemerkungen (Finale)
Seit Mai 2020 habe ich ein anderes Klavier (eines aus den 7 Favoriten). Ich bin mir sicher, dass die Evaluation den grossen Aufwand, welchen ich betrieben habe, Wert ist. Falls Sie ebenfalls vor einem Kauf stehen, hoffe ich, Ihnen wertvolle Tipps gegeben zu haben. Das Wichtigste ist, dass das Klavier zu Ihnen passt und Sie mit Freude spielen. Ich empfehle (nochmals), möglichst viele Klaviere zu spielen und sich Zeit zu nehmen.
Fragen und Kommentare: